Dr. med. R. Marx-Mollière
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Wozu psychologische Diagnostik?
Ein wesentlicher Teil der kinder- und jugendpsychiatrischen Untersuchung ist die sogenannte Psychodiagnostik (oder auch Testdiagnostik).
Bei der Psychodiagnostik können mit bestimmten Testverfahren verschiedene Aspekte des menschlichen Verhaltens und Erlebens untersucht werden. Dazu gehören zum Beispiel:
die intellektuelle Leistungsfähigkeit – also die Fähigkeit, komplexe Probleme selbständig und zügig zu lösen und Transferleistungen zu erbringen
die Konzentration und Aufmerksamkeit
die Merkfähigkeit (Kurz- und Langzeit- sowie Arbeitsgedächtnis)
die Wahrnehmung (vor allem die visuell-räumliche sowie die auditive)
die schulischen Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Rechnen
das emotionale Erleben (z.B. hinsichtlich Ängstlichkeit, Depressivität, Aggressivität oder Impulsivität) sowohl aus der eigenen Sicht als auch aus der Sicht wichtiger Bezugspersonen
die Beschreibung der eigenen Persönlichkeit
Bei bestimmten kinder- und jugendpsychiatrischen Fragestellungen ist eine gründliche psychodiagnostische Testung unerlässlich. Dazu gehören insbesondere alle Probleme, die mit der Schule bzw. dem Erbringen schulischer Leistungen zusammenhängen. Auch im Rahmen von familien- oder strafrechtlichen Begutachtungen werden solche Testverfahren eingesetzt.
Beispiel 1: Der 8jährige Tim hat erhebliche Schwierigkeiten, in der Schule mitzukommen. Seine Leistungen sind schlechter als die anderer Kinder. Er hat Probleme, sich zu konzentrieren. Seine Mutter erzieht ihn allein. Frage: Woher rühren die schulischen Probleme? Ist er ausreichend begabt zum Besuch der Grundschule? Hat er eine Konzentrationsstörung? Gibt es starke familiäre Probleme, die ihn beeinträchtigen? Leidet er unter einer Teilleistungsstörung?
Beispiel 2: Die 11jährige Jessica weigert sich seit einigen Wochen, die Schule zu besuchen. Gründe will sie nicht nennen. Frage: Warum will Jessica nicht mehr in die Schule gehen? Liegen ihre Probleme im Leistungsbereich (über- oder unterfordert, Teilleistungsstörungen, Konzentrationsprobleme)? Hat sie emotionale Probleme (Angst vor anderen Kindern, vor Lehrern, vor Leistungsüberprüfungen, Angst, sich von der Mutter zu trennen)? Ist ihr Sozialverhalten in Ordnung?
Verstehen von Testverfahren
Die eingesetzten Tests müssen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Viele werden deutschlandweit oder international eingesetzt. Sie wurden an Universitäten über mehrere Jahre entwickelt und überprüft. Um einen hohen Standard solcher Tests zu gewährleisten, müssen sie sogenannten Gütekriterien entsprechen. Zu diesen gehören:
Objektivität: Der Test wird überall und von allen Testleitern gleich durchgeführt, sonst sind die Normen nicht anwendbar.
Reliabilität: Der Test muss zuverlässige Ergebnisse bringen und möglichst wenig tagesform- oder zufallsabhängig sein.
Validität: Der Test muss auch tatsächlich das messen, was er zu messen vorgibt.
Das Ergebnis des einzelnen Kindes oder Jugendlichen wird mit den sogenannten Normen verglichen, also den Werten, die für das Alter des Kindes normalerweise zu erwarten wäre. Man kann dann eine Aussage darüber treffen, ob das Kind durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich abgeschnitten hat.
Beispiel 3: Bei vielen Fragebogenverfahren werden die Ergebnisse in Prozenträngen dargestellt. So bedeutet z.B. ein Prozentrang von 8 in einem Rechtschreibtest für die 3. Klasse, dass nur 8 Prozent der anderen Drittklässler gleich oder schlechter abschneiden. Das ist ein unterdurchschnittliches Ergebnis. Ein Prozentrang von 67 in einem Lesetest für die 4. Klasse würde aussagen, dass 67 Prozent der anderen Viertklässler gleich gut oder schlechter abschneiden – ein gut durchschnittliches Ergebnis.
Beispiel 4: In fast allen Intelligenztests werden sogenannte IQ-Werte angegeben. Dabei bedeutet ein IQ von 100 ein genau durchschnittliches Ergebnis, d.h. 50% der altersgleichen Kinder sind schlechter und 50% sind besser in diesem Test. Der Durchschnittsbereich für den IQ ist festgelegt von 85 bis 115. Zwischen 70 und 85 spricht man von einer Lernbehinderung, unter 70 beginnt der Bereich der geistigen Behinderung. Ein IQ über 115 wird als überdurchschnittlich bezeichnet.
Die Ergebnisse solcher Testverfahren sind nur im Rahmen einer gründlichen Anamneseerhebung und unter Einbezug der Verhaltensbeobachtung zu interpretieren. Die Interpretation sollte immer mit Vorsicht erfolgen und ebenso wie die Durchführung nur von dazu gut ausgebildetenen Psychologen oder Psychotherapeuten vorgenommen werden.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Ergebnisse solcher Tests durch eine Vielzahl von Variablen beeinflusst werden kann. So sind Intelligenztests besonders anfällig für Defizite in Konzentration, Aufmerksamkeit, visueller und auditiver Wahrnehmung. Bei Fragebogenverfahren muss sichergestellt sein, dass die Fragen verstanden werden. Alle Tests werden beeinflusst von der Motivation, der Konzentration, der Leistungsängstlichkeit und der Frustrationstoleranz eines Kindes/Jugendlichen.
Das Ergebnis der Testdiagnostik wird schriftlich festgehalten im sogenannten „Testpsychologischen Befund“ und den Eltern und dem Kinder bzw. Jugendlichen ausführlich erläutert.
Auswahl in unserer Praxis eingesetzte Testverfahren
HAWIK-IV | Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder |
WIE | Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene |
K-ABC | Kaufmann Assessment Battery for Children |
CFT-20 | Culture Fair Test |
AFS | Angstfragebogen für Schüler |
DTK | Depressionstest für Kinder |
DIKJ | Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche |
PSSI | Persönlichkeitsstörungs- und –stil-Inventar |
FPI | Freiburger Persönlichkeitsinventar |
EDI | Eating Disorder Inventory |
HZI | Hamburger Zwangsinventar |
CBCL, YSR | Child Behavior Checklist |
DRT | Diagnostischer Rechtschreibtest |
HSP | Hamburger Schreibprobe |
DERET | Deutscher Rechtschreibtest |
DEMAT | Deutscher Mathematiktest |
KNUSPEL-L | Knuspel Leseaufgaben |
D2 | Aufmerksamkeitstest |
Satzergänzungstest | Halbprojektives Verfahren |